Frühling Corona Blüte

Hoffnung in der Krise – #andràtuttobene

Hoffnung in der Krise – #andràtuttobene

Deutschland steht still. Die Kinder gehen nicht in die Schule, viele arbeiten im Homeoffice, die meisten gehen nur noch raus, wenn es unbedingt notwendig ist. Die Welt ist stiller geworden, als ob sie sich für ein Nickerchen zurück gezogen hätte. Wir schauen uns verwundert um und wissen nicht so recht, was wir mit dieser ungewohnten Ruhe anfangen sollen. Aber je länger dieser Zustand anhält, desto mehr zeigen sich auch die Chancen, die die Corona-Krise für uns bereit hält. Und ganz zaghaft wächst die Hoffnung, dass so manches durch die Krise besser werden könnte.

Ich wohne mitten in der Stadt. Wenn ich morgens an meinem Schreibtisch sitze, dringen die unterschiedlichsten Geräusche zu mir. Vogelgezwitscher, die Motorengeräusche der Autos, ein aufgeregtes Hupen eines nervösen Autofahrers, die Stimmen von Menschen, die sich lautstark auf der Straße unterhalten, das unbeschwerte Lachen von Kindern … Die Geräusche sind vielfältig und sie weben einen einzigartigen Flickenteppich aus unterschiedlichsten Tönen, die untrennbar mit meinem Viertel verbunden sind. Das dachte ich zumindest bis jetzt. 

Es ist still geworden

Wenn ich nun an meinem Schreibtisch sitze, kann ich die Stille förmlich „hören“. Natürlich hört man auch jetzt noch ab und zu ein Auto fahren und auch die Vögel zwitschern unbeeindruckt weiter. Aber es ist deutlich ruhiger geworden. Selbst die wenigen Nachbarn, die sich noch auf der Straße unterhalten, scheinen dies leiser zu tun. Deutschland kämpft gegen das Corona-Virus. Genau gesagt kämpft Deutschland gegen die schnelle Ausbreitung des Virus. #flattenthecurve, also die Kurve der Neuerkrankungen flach zu halten, ist das erklärte Ziel. Damit unser Gesundheitssystem nicht kollabiert, damit alte und kranke Menschen eine Chance haben, im Falle einer Infizierung die notwendige medizinische Versorgung zu erhalten. 

Deshalb bleiben wir zu Hause und gehen nur nach draußen, um uns mit Lebensmitteln zu versorgen, um Sport zu treiben oder um die Kinder „auszulüften“. Es gibt keine Theatervorstellungen, keine Kinobesuche, nicht einmal ein Besuch auf dem Spielplatz ist möglich. Und so ist es still geworden in Deutschland. So sehr man sich als Großstadtmensch in normalen Zeiten nach mehr Ruhe sehnt, so unheimlich wirkt die aktuelle Stille nun auf mich. 

Corona Hoffnung in der Krise

Die Stille lähmt

Seit die Schulen in ganz Deutschland für mindestens fünf Wochen geschlossen wurden, hat mich eine seltsame Unruhe erfasst. Äußerlich merkt man mir nichts an, aber ich spüre, dass irgendetwas in mir wühlt und im Gegensatz zu der ungewohnten Ruhe auf unseren Straßen ganz und gar nicht ruhig ist. Das hängt sicher mit dem Kopfkino zusammen, dass seit Tagen bei mir läuft, als ob jemand immer wieder die „Replay-Taste“ drückt. Es läuft immer wieder der gleiche Film mit dem Titel „Was kommt da auf uns zu?“.

Ich mache mir nicht um mich oder meine Familie Sorgen. Wir sind zum Glück alle fit und gesund. Wir ernähren uns sehr gesund, machen Sport und bewegen uns viel an der frischen Luft. Und wir nehmen sämtliche Empfehlungen der Virologen sehr ernst. Aber ich mache mir um die Schwachen unserer Gesellschaft Sorgen.

Wenn man sich die Berichte und die Bilder aus Italien anschaut, kann einem Angst und Bange werden. Die Ärzt*innen und Pfleger*innen leisten geradezu Unmenschliches, um die Kranken zu versorgen und Menschenleben zu retten. Und doch müssen sie hilflos zuschauen, wie viele ihrer Patient*innen sterben. Und was noch viel schlimmer ist: Sie müssen Tag für Tag entscheiden, wer an die Beatmungsgeräte darf und wen sie sterben lassen müssen. Ich denke viel an diese Menschen und bin voller Bewunderung, was sie in dieser Katastrophe leisten. Und es zeigt mir jeden Tag, dass wir in Deutschland alle gemeinsam dafür verantwortlich sind, dass bei uns nicht die gleiche Katastrophe passiert.  

Ich versuche gelassen zu bleiben. Aber in irgendeinem verborgenen Winkeln in meinem Kopf sitzt die Angst und raunt mir regelmäßig zu, dass bei uns das gleiche passieren könnte. Dass Menschen, die mir lieb und teuer sind erkranken oder gar sterben könnten. So ist die Sorge zu meinem ständigen Begleiter geworden, drückt immer wieder die Replay-Taste für mein Kopfkino und sorgt so dafür, dass ich eine ständige Unruhe in mir spüre. 

Aus Angst wird Zuversicht

Aber dann sehe ich ein Video in den sozialen Medien, das meinen Blick verändert: In einem italienischen Innenhof stehen Menschen, die sich alle in Quarantäne befinden, auf ihren Balkonen und an ihren Fenstern und singen und musizieren zusammen. Sie singen aus voller Kehle und mit einer Inbrust, die einem geradezu entgegenschreit, was in den letzten Wochen und Tagen zum Mantra vieler Italiener geworden ist: Andrà tutto bene! Alles wird gut!

Die Szene rührt mich zu Tränen und bringt in dieser furchtbaren Lage, in der sich dieses liebenswerte Volk befindet, auf wunderbare Weise zum Ausdruck, dass die Menschen trotz der nötigen Distanz näher zusammen gerückt sind. Mit fröhlichen, laut geschmetterten Liedern zelebrieren sie diese neu gewonnen Nähe und machen sich gegenseitig über die Balkone hinweg Mut.

Und dann kommt mein Geburtstag. Dieses Jahr wird es Corona-bedingt keine Feier geben. Mein Geburtstag fällt ins Wasser, und ich bin etwas traurig darüber. Am Tag vor meinem Geburtstag gehe ich mit dem Gefühl ins Bett, dass ich den Tag wohl am besten gedanklich komplett aus dem Kalender streiche.

Am nächsten Morgen werde ich von meinem Mann und meinem Sohn geweckt. Sie kommen mit Kaffee und einer Geburtstagskerze ins Schlafzimmer und singen „Happy Birthday“. Ich bin sehr gerührt und genieße eine erste Tasse Kaffee im Bett. Dann darf ich viele, viele Geschenke auspacken. Sie sind mit Liebe und Sorgfalt ausgesucht. Und ich freue mich über jedes Einzelne von ganzem Herzen und merke, das es keinen Grund gibt, traurig zu sein. Dies wird ein schöner Geburtstag werden, auch wenn er anders als geplant verlaufen wird. 

Reduzierung aufs Wesentliche

Aber wie feiert man in Zeiten von Corona? Oder: feiert man überhaupt in diesen Zeiten? Da kommt mir eine Idee. Ich beschließe, mit meiner Familie in den Wald zu gehen. Ich liebe den Wald. Er tut mir in jeder Lebenslage gut, egal ob es mir gut oder schlecht geht, ob ich fröhlich oder voller Sorgen bin. Wenn ich in den Wald gehe, geht es mir einfach besser. Es ist frühlingshaft warm, die Vögel zwitschern, die Blumen blühen, und in den kahlen Bäumen ist bereits ein zartes Grün zu sehen. Wir machen einen langen Spaziergang, reden über dies und das, lachen miteinander und sitzen anschließend noch lange auf einer Weinbergtreppe in der Sonne. 

Abends sitzen wir gemeinsam am Esstisch, essen, trinken und lachen. Und ich bin zutiefst dankbar für diesen wunderschönen Tag. Der Wald hat mir meine Ruhe zurück gegeben und mir – gemeinsam mit meinen Liebsten – gezeigt, auf was es wirklich ankommt. Ich bin dankbar dafür, dass wir gesund sind, dass wir in inniger Liebe miteinander verbunden sind, und dass wir es immer wieder schaffen, mit einfachen Dingen glücklich zu sein. 

Was wir wirklich brauchen

Und noch etwas macht mich an diesem Tag glücklich: Die Zahl der Glückwünsche per Whatsapp ist dieses Jahr stark gesunken. Und die Zahl der persönlichen Anrufe hat deutlich zugenommen. Selbst Menschen, mit denen ich nicht allzu häufig Kontakt haben, greifen zum Telefonhörer und rufen an. Und das ist doch genau das, auf was es jetzt ankommt: Dass wir mit anderen Menschen liebevoll verbunden sind. In Zeiten von Corona ist das noch viel wichtiger als zuvor. Um unsere Lieben zu schützen, müssen wir eben neue Wege der Kommunikation, des Austauschs und der Nähe suchen. Ein Telefonat mit einem lieben Menschen tut uns in diesen Zeiten ganz besonders gut. Und jeder Anruf zeigt mir von neuem, dass diese Krise auch ihre Chancen hat. 

Sie bietet uns die Chance, dass wir uns auf die wichtigen Dinge im Leben konzentrieren. Dass wir uns um andere Menschen sorgen und dies auch zeigen. Dass wir uns gegenseitig zuhören, uns gegenseitig erzählen, was uns bewegt, uns gegenseitig trösten und auch Mut machen. Wenn wir es jetzt schaffen, wieder mehr aufeinander zu achten, Solidarität zu zeigen und weniger Egoismus und Alleingänge, dann kann diese Krise auch eine Chance für uns sein, dass sich unsere Gesellschaft zum besseren verändert. Dann werden wir gestärkt aus dieser Krise hervorgehen und für all die Krankheit, die Trauer und das Elend, das viele durchleben müssen, reichlich belohnt werden. 

Vielleicht werden wir durch diese Krise zu einer echten Gemeinschaft, in der es selbstverständlich ist, auf die anderen zu achten. In der es uns egal ist, wenn wir eine Party oder einen Theaterbesuch verpassen, weil wir wissen, dass wir damit die Schwachen, Kranken und die Alten in unserer Mitte schützen. In der es selbstverständlich ist, dass wir unseren Nachbarn, die das Haus nicht verlassen können, beim Einkauf helfen. Und in der keiner die Ellbogen einsetzt, um die letzte Rolle Klopapier zu ergattern. 

Hoffnung – #andràtuttobene

Wir können jetzt beobachten, dass viele bereit sind, als Gesellschaft, als Gemeinschaft zu wachsen und diese zum Bessern zu verändern. Die Zahl der Menschen, die mit ihrem solidarischem Handeln und ihren Hilfsangeboten an völlig fremde Menschen zeigen, dass sie genau das wollen, wächst mit jedem Tag. Das macht mir Hoffnung. Denn ich weiß, dass es mir große Freude bereiten wird, dass es mich einfach glücklich machen wird, genau in so einer Gesellschaft zu leben!

Denn momentan ist nicht soziale Distanz gefragt, wie es viele fordern, sondern genau das Gegenteil: Wir brauchen physische Distanz, um die Schwachen, Kranken und Alten in unserer Gesellschaft zu schützen. Aber wir brauchen soziale Nähe so dringend wie noch nie.

Und diese kann sich auf vielfältige Weise zeigen: In einem Telefonat, einem Video-Chat oder durch ein gemeinsames Konzert über die Balkone hinweg. Die Krise zeigt, dass wir Menschen keine Einzelgänger sind, sondern dass wir uns gegenseitig brauchen. Jetzt, wo wir voneinander räumlich getrennt sind, wird das umso deutlicher. Und genau darin liegt unsere Chance. Dies zu erkennen und aus einer Gesellschaft der Einzelgänger eine echte Gemeinschaft werden zu lassen. Das ist die Hoffnung, die ich habe und die mir in der Krise Tag für Tag Mut macht und die Angst in meinem Kopf besänftigt und mein Kopfkino zum Stillstand bringt. 

In diesem Sinne, passt gut auf Euch auf und bleibt gesund! 

Andrà tutto bene! Alles wird gut! 

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